Christian Pertiller ist Berufsfischer am Mattsee
Christoph Pertiller nennt einen wirklich besonderen Arbeitsplatz sein Eigen: rund 3,6 km2 groß und an der tiefsten Stelle geht es 42 Meter in die Tiefe. Pertiller ist einer von acht Berufsfischern auf den Trumer Seen, die sich aus Obertrumer See, Mattsee und Grabensee zusammensetzen.
Wir durften ihn einen Tag lang am Mattsee begleiten und dem Profi über die Schulter schauen.
Wenn es um die Fische in den drei Trumer Seen geht, hat die Fischerinnung Mattsee das alleinige Sagen. Sie setzt sich aus den Berufsfischern um die drei Seen zusammen und wurde bereits im Hochmittelalter gegründet.
Wer nämlich in welchem Gewässer und vor allem in welchem Ausmaß fischen darf, unterscheidet sich österreichweit beinahe von See zu See. In der Regel liegen die Fischereirechte nämlich beim jeweiligen Bundesland oder den Bundesforsten. Die Fischerinnung Mattsee ist somit eine Ausnahme mit lange zurückreichender Geschichte. Denn seit dem 18. Jahrhundert ist das alleinige Recht zu fischen hier im Besitz von insgesamt acht Fischern. Diese wiederum schlossen sich in besagter Innung zusammen. Als Zunftzeichen dient bis heute der sogenannte „Fischerschild“, der ein Fischerboot mit Aposteln darstellt. Auch heute noch haben die Berufsfischer ein wachendes Auge auf das, was sich unter, vor allem aber auf dem Wasser tummelt.
Fischereikarten werden ausschließlich von der Fischerinnung ausgestellt. Dieses System ist in Österreich so gut wie einzigartig. Und eine weitere Besonderheit gibt es: Während etwa die Fischer am Mattsee ihre immer gleichen Reviere befischen, gibt es am Obertrumer See das sogenannte „Wechselfischen“, bei dem regelmäßig getauscht wird. Hier wie dort wurde der See genau vermessen und kartografiert. „Und jeder hält sich auch daran“, schildert Christoph Pertiller die gelebte Praxis.
Selbstverständlich beschränkt sich die Tätigkeit der Fischer nicht darauf, an schönen Tagen auf den See zu fahren und den ein oder anderen Fisch aus dem Wasser zu holen. Der See werde mit viel Umsicht und Verständnis für die Gegebenheiten bewirtschaftet. Der Flachgauer erklärt: „Eine wichtige Aufgabe der Fischerinnung besteht beispielsweise darin, die Fangzahlen zu erheben und zu dokumentieren. Anhand der gefangenen Mengen können wir nicht nur die Überfischung vermeiden, sie bestimmen auch die Besatzmaßnahmen.“ Hinter diesem technischen Ausdruck verbirgt sich die Aufzucht verschiedenster Fischarten, die ab einer gewissen Größe – wenn sozusagen die größte Gefahr gebannt ist – ins Wasser eingebracht werden.
Die Aufzucht erfolgt im eigenen Bruthaus, das im Jahr 1939 errichtet wurde. Seit damals wird hier unter anderem der Laich von Reinanken und Hechten ausgebrütet, diese werden dem See dann als sogenannte „Setzlinge“ zugeführt. Das Heranwachsen im geschützten Raum bedeutet zwar einen höheren Aufwand, ist jedoch die Basis für einen guten Fischbestand. Wer sich genauer mit den Hintergründen beschäftigt, erkennt also, dass es sich bei Seen nur auf den ersten Blick um Natur handelt. Tatsächlich sind Seen – vergleichbar mit den Almen – ein Kulturraum, der von Menschen bewirtschaftet und im Gleichgewicht gehalten wird.
Die sorgsame und ausgewogene Bewirtschaftung durch die Berufsfischer garantiert die reichhaltige Vielfalt an Fischarten – Waller, Hechte, Zander und Barsche ebenso wie Reinanken, Karpfen, Schleien und verschiedenste Weißfische. In den letzten Jahren übernahmen die Fischer vermehrt Aufgaben, auf die sie allerdings gerne verzichten würden: „Wann immer einer von uns auf den See fährt, kommt er nicht nur mit Fischen zurück“, stellen Pertiller und sein Vater fest.
Getränkedosen, Flaschen, Plastiktüten und andere Hinterlassenschaften wurden in den letzten Jahren zum unerwünschten „Beifang“. „Insbesondere im Sommer wird der Tagestourismus von Jahr zu Jahr mehr. Verständlich, dass die Menschen unsere wunderschönen Seen genießen wollen. Dass man aber den Müll am Ufer liegen lässt oder beim Bootsausflug einfach über Bord wirft, ist für uns unverständlich.“ Die Fischer sehen es als ihre Aufgabe, in allen Belangen das Gleichgewicht zu erhalten. Immerhin kehren viele Badegäste auch in die umliegenden Restaurants ein und genießen lokale Fischspezialitäten. „Wer abends eine frische Reinanke genießen will, muss sich auch tagsüber entsprechend verhalten.“
Doch was bedeutet es, ein Berufsfischer auf einem österreichischen Binnengewässer zu sein? „Ich habe das Fischrecht von meinem Vater Roman übernommen, der betrieb die Fischerei nebenberuflich. Wie alle anderen hier am See“, erklärt Pertiller die Entwicklung. „Ich habe mich dann dazu entschlossen, hauptberuflicher Fischer zu werden. Und tatsächlich bin ich der einzige. Alle anderen haben entweder eine Landwirtschaft, sind im Brotberuf angestellt oder betreiben es als Hobby.“
Den Lebensunterhalt könnte er jedoch allein durch die Fische aus dem See auch nicht bestreiten. Warum es neben heimischen Aquakulturen auch noch große Importmengen benötigt, verdeutlich ein Rechenbeispiel: Stellt man den jährlichen Fischkonsum in Österreich allen hier produzierten Fischen gegenüber, würde die Menge für gerade einmal einen Monat reichen. „Einen wesentlichen Teil des Bedarfs beziehe ich aus dem benachbarten Oberösterreich“, erklärt er. Diese Fische werden dann entweder weiterverkauft oder im eigenen Betrieb veredelt, beispielsweise als Räucherfisch. Der Einmannbetrieb läuft gut, nicht zuletzt durch die steigende Nachfrage der Gastronomie. Vater Roman hilft immer wieder mit und steht ihm auch mit seinem umfassenden Erfahrungsschatz zur Seite.
Ausschließlich den Mitgliedern der Fischerinnung vorbehalten ist der Einsatz von Netzen. Die sogenannten „Stellnetze“ sind eine uralte Methode, bei der jeder Fischer die Netze in seinem Revier setzt.
Je nach Fangvorhaben fährt Pertiller die entsprechenden Plätze an und verwendet unterschiedliche Maschengrößen: 40-mm-Netze etwa für Reinanken, die das kalte Wasser bevorzugen und sich deshalb ab 10 Metern abwärts tummeln. Der größere Hecht wird mit einem 60-mm-Netz gefischt. „Wir können sehr zielgerichtet auf einzelne Arten gehen. Somit handelt es sich um eine recht nachhaltige Fangmethode.“ Am nächsten Tag werden die hoffentlich vollen Netze dann eingeholt.
Neben Endverbrauchern und Stammkunden schätzen vor allem Gastronomiebetriebe die Qualität von frisch gefangenem Fisch. „Tatsächlich kann man den Unterschied nicht nur sehen, sondern auch schmecken“, ist sich Christoph Pertiller sicher. Dies liegt klarerweise an der gänzlich anderen Lebensform. „Wild gefangener Fisch wird beispielsweise nicht gefüttert, sondern ernährt sich natürlich.
Außerdem hat er während des Wachstums viel mehr Platz und bewegt sich mehr.“ Gänzlich frei sei das Fleisch auch von Medikamenten oder wachstumsfördernden Mitteln: „Ganz klar, dass dies massive Auswirkungen auf das Fleisch hat.“ Die Gastroprofis, die Pertiller beliefert, schätzen überdies die unschlagbare Frische seiner Produkte: „Ich verkaufe nur tagesfrischen Fang oder frisch geschlagenen Fisch. Dieser hält sich länger und gibt dem Küchenchef eine höhere Flexibilität.“ Gleichzeitig kann bei dem Mattseer Fischer spontan und unkompliziert bestellt werden.
Das klingt doch insgesamt nach perfekten Bedingungen: Der Fisch kann gar nicht nachhaltiger produziert werden, die Transportwege sind kurz, Überfischung ist ausgeschlossen – ist hier womöglich alles in ausgewogener Harmonie? „Einige Punkte machen uns leider Kopfzerbrechen“, zerstört Christoph Pertiller das Idyll. Einerseits wären da die bereits erwähnte wachsende Zahl an Tagesgästen und der touristische Ansturm im Sommer. „Der See ist ein sensibles Ökosystem, da merkt man schon, wenn beispielsweise mehr Sonnencreme im Wasser ist“, schildert der Fischer seine Beobachtung über Jahre hinweg.
Hinzu komme der Müll oder vielmehr dessen unsachgemäße Entsorgung. Generell lasse sich ein immer stärker werdender Egoismus erkennen. „Da wird etwa mit dem Stand-Up-Paddle-Board in Schilf- oder ausgewiesene Sperrgebiete gefahren. Oder auch immer wieder an unseren Bojen für die Netze herumgespielt.“
Auf der ökologischen Seite kämpft man mit invasiven Arten. Oftmals kommen diese aus der Aquaristik. Wer sich entschließt, dass die Unterwasserwelt im Miniformat im heimischen Wohnzimmer weichen muss, kippt deren Bewohner oft kurzerhand in den nächstgelegenen See.
Prominentes Beispiel ist etwa der Sonnenbarsch. „Einerseits ist der Sonnenbarsch zu klein, um effektiv gefischt zu werden, andererseits entzieht er anderen Arten viel Nahrung“, erläutert Pertiller die Probleme mit diesem eingeschleppten Aquariumsfisch. Ähnlich verhält es sich mit dem ebenfalls aus Nordamerika eingeschleppten Signalkrebs, der mancherorts die heimischen Edelkrebse bereits verdrängt hat. Ungemach droht Fisch und Fischer auch aus der Luft:
Die Kormoranbestände haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. „Ein ausgewachsener Kormoran frisst bis zu 450 Gramm Fisch am Tag. Man kann sich ausrechnen, was das für die Bestände bedeutet.“ Auch hier wünscht sich Pertiller mehr Dialog: „Wir sind jeden Tag auf dem See und haben einen Überblick über alle Tiere. Wir verstehen die Interessen von Naturschutzorganisationen – mehr Dialog und Miteinander wären trotzdem wünschenswert!"
Bei allen Herausforderungen steht für Christian Pertiller eines fest: Er hat seine Berufung zum Beruf gemacht. Der gelernte Orthopädieschuhmacher hat es noch keinen Tag bereut, seinen alten Job an den Nagel gehängt zu haben: „Ich liebe es, mein eigener Chef zu sein und genieße es jedes Mal, wenn ich auf den See hinausfahren kann.“ Das zeigt sich auch an seiner Freizeitbeschäftigung, denn er geht auch am Wochenende gerne angeln. „Oder wenn ich im Sommer einfach so mit meiner Frau baden gehe: Die Angel habe ich eigentlich immer dabei“, lacht Christian Pertiller, während er auf „seinen“ Mattsee schaut.